Die Arbeit des Art Director: Ein Interview mit Encarna Pachón

Hallo Encarna. Die neueste Kollektion „Los Bellos Perdedores” zeichnet sich durch sein einzigartiges Casting aus. Wie sah der Auswahlprozess aus?

Dieses Mal wurde das Casting in drei verschiedenen Städten durchgeführt: Paris, Mailand und Berlin. Die jungen Männer und Frauen, die wir in den drei Städten gefunden haben, wiesen sehr unterschiedliche Merkmale auf, gehörten aber alle derselben Generation an. In jeder Stadt wird das Leben auf eine bestimmte Art und Weise gelebt. In Paris fanden wir viele Menschen mit kulturellen und intellektuellen Interessen, während sie in Berlin eher künstlerisch ausgerichtet waren. In Mailand richtete sich das Interesse der Casting-Teilnehmer auf die Mode.

Was war das Auswahlkriterium für die Models der neuesten Kollektion?

Das Kriterium bestand darin, ‒ sei es aufgrund ihrer Gesichtszüge, körperlichen Besonderheiten oder ihres Verhaltens ‒ besondere Menschen auszuwählen. Natürlich ist es leichter, Models nach dem geltenden Schönheitskanon auszuwählen, da dieser ‒ genauso wie die Vorstellung, dass Perfektion ein Synonym für Schönheit ist, ‒ in den Modelagenturen noch sehr präsent ist. In der Mode ändert sich dies aber gerade.

Warum gerade diese Merkmale?

Anstatt von Merkmalen würde ich eher von verschiedenen Identitäten sprechen. Dies spiegelt nämlich auch die augenblickliche soziale Situation wider. Diese Generation, diese jungen Menschen haben genug von den Stereotypen und davon, dass alles Körperliche perfekt sein muss. Es handelt sich um eine Ablehnung der Identifikation des Richtigen mit der Perfektion. Wir haben Menschen gesucht, die ‒ sowohl in Ihrem Verhalten als auch aufgrund ihres Aussehens ‒ besonders waren und gleichzeitig viel ausstrahlten. Für uns war wichtig, dass die Models der Kollektion Identität verliehen und uns dabei halfen, das widerzuspiegeln, was man weltweit im Street-Style sehen kann. Eine entspanntere Mode und Verhalten. Vielleicht, dass alles leichter zu akzeptieren ist. Etwas abstehendere Ohren werden nicht mehr stigmatisiert, genauso wenig wie eine nicht so perfekte Haut … Das Gefühl, dass in der Mode alle Arten von Menschen akzeptiert werden.

„Diese Generation, diese jungen Menschen haben genug von den Stereotypen und davon, dass alles Körperliche perfekt sein muss. Es handelt sich um eine Ablehnung der Identifikation des Richtigen mit der Perfektion.“

 


Neben Einstellung und Verhalten wurde auch berücksichtigt, dass sie nach der Präsentation der Kollektion diese auf einer Bühne präsentieren konnten. Das sieht man zwar vielleicht auf den Fotos nicht, aber wir konnten uns versichern, dass auf der Bühne alle fantastisch waren, dass sie mehr gaben, als wir von ihnen erwarteten, dass sie dieses „je ne sais quoi” ausstrahlten, dass man manchmal eine Person für eine Kollektion auswählt, da sie die Essenz der Kollektion perfekt rüberbringt.

„Dabei darf man nicht vergessen, dass sich alle jungen Männer und Frauen, die wir für diese Kollektion ausgewählt haben, in hohem Maße mit dieser identifizierten. Alle gehörten dem jetzigen Moment an, in dem wir leben, und sie machten es uns, da sie sehr großzügig waren, sehr einfach. Man kann sagen, dass uns eine sehr leichtfüßige Kollektion gelungen ist.“

 

Haben Sie die gleichen Standards wie bei anderen Kollektionen verfolgt?

Nein. Wir haben die Agenturen darüber informiert, dass wir Menschen wollten, die man auf den ersten Blick nicht für professionelle Models hält. Anschließend haben wir mit allen ‒ über 300! ‒ ein Vorstellungsgespräch geführt, um 15 Personen ‒ aufgrund ihres Charakters ‒ auszuwählen, damit sie der Kollektion Identität verliehen

Und was ist mit den technischen Aspekte? Natürlich weiß ich, dass die Haartextur wichtig ist.

Was die technischen Aspekte betrifft, haben wir bei dieser Kollektion aber nicht so viel Wert darauf gelegt, das perfekte Haar zu finden, dass die Leute rufen: Wow! Was für ein Haar! Wir haben Menschen mit natürlichem Haar gesucht. Man muss nur den Blickwinkel verändern. Feines, krauses, sehr voluminöses Haar nicht mehr als Problem sehen, sondern als etwas, was uns von den anderen unterscheidet. Was Identität verleiht.

Wie wichtig ist das Casting, um die Essenz einer Kollektion zu treffen?

Beim Casting ist es sehr wichtig, persönliche Vorlieben außer Acht zu lassen und sich auf das zu konzentrieren, was man sucht.  Ich denke, dass der Erfolg dieser Kollektion zum großen Teil in der richtigen Auswahl der Models begründet liegt. Dabei bin ich mir bewusst, dass sie manchen vielleicht nicht gefallen wird, dass sie ihre Züge eher für „komisch“ halten. Wir, die wir in der Modebranche arbeiten, haben jedoch eine Realität vorgefunden, die wir nicht mehr ignorieren können.

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